Es mag etwas Pokerspiel dabei gewesen sein, auch etwas Arroganz und vielleicht etwas Voraussicht, was Meister Kadetten Schaffhausen im zweitletzten Spiel der Finalrunde zeigte. In erster Linie aber war es der Gastgeber, der diesem Spiel den Stempel aufdrückte. Und es war der Gastgeber, der in einer wahren «Magic hour» mit der Krauerhalle als würdigen Rahmen ein weiteres Glanzlicht setzte hinter eine starke Saison: 29:25-Sieg über Favorit, Titelverteidiger, Champions League-Teilnehmer Kadetten Schaffhausen. 29:25-Sieg im Duell mit einem Gegner, gegen den die eigene Bilanz tief negativ war. Und gegen einen Gegner, der personell nach wie vor aus dem Vollen schöpfen kann.
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Fotos vom Spiel (Hardy Konzelmann)
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Ganz im Gegensatz zu den Zentralschweizern. Denen fehlte mehr als die halbe Mannschaft. Sie trotzten der langen Absenzenliste und traten mit faktisch sieben Feldspielern an. «Trotzen» ist denn auch das richtige Wort. Denn die Mannschaft trat mit enorm viel Wille, mit Leidenschaft und Biss an. Ausgehend von einem einmal mehr brillanten Paul Bar fand die Deckung nach einer schwierigen Startphase immer besser ins Spiel, bekam das hochkotierte Kader des Gegners immer besser in den Griff und brachte den Leader ins Wanken. Es war jene Leidenschaft zu sehen in den Augen der Spieler, die es braucht, um solch grosse Gegner - egal in welcher Phase der Meisterschaft - zu bezwingen.
Offensiv setzte das Team dann als Kollektiv den Glanzpunkt. Adi Blättler zeigte sich erneut superstark im Gegenstoss, Radovanovic und Schramm erledigten die «Hammerwürfe» ebenfalls schon fast gewohnt zuverlässig. Umso grösser war da die Freude, dass sich zu diesem starken Trio mit Albin Alili der Neuzugang gesellte. Der Schweizer Nationalspieler wurde zum zu recht gefeierten Mann, weil er mit einem starken Auftritt in der Krauerhalle erstmals so richtig heimisch wurde und eine eindrückliche Visitenkarte ablegte. Als Stellvertreter der beiden Dauerverletzten Nyffenegger / Hofstetter, aber auch als Torschütze (6 Treffer).
Erfreulich, enorm wichtig und richtungsweisend war aber auch der Auftritt von Christian Wipf. Der Kreisläufer, der oft im Schatten der «Grossen» Baviera und Fellmann stand, lieferte eine blitzsaubere Partie ab, glänzte mit einer 3/3-Bilanz und stand auch in der Defensive robust und clever seinen Mann.
21 Minuten lang führte Schaffhausen und schien dem Spiel den gewohnten Gang zu geben. Diese Rechnung aber machte das mit Abstand teuerste Kader Schweizer Handball-Teams ohne die Kampfbereitschaft der Innerschweizer. Denn diese fanden immer besser ins Spiel, hatten mit Bar den besseren Keeper und die bessere Deckung, was den erfolgsverwöhnten Schaffhausern 8 tor- und trostlose Minuten vor der Pause bescherte. 16:11-Führung in der Pause - in der Krauerhalle rieben sich die Fans die Augen.
Daran änderte sich auch in Halbzeit 2 nichts. Zum einen reagierte der Gegner nicht, zum anderen aber zog der Gastgeber die eindrückliche Pace durch und trat den Beweis dafür an, dass die Formkurve Richtung Playoffs durchaus perfekt getimt sein könnte. Denn angesichts des ausgedünnten Kaders hätte man Verständnis dafür aufgebracht, wenn in der Schlussphase erneut die ausgehende Kraft als Begründung für eine erneute Spielwende hätte herhalten müssen. Doch das Fähnlein der sieben Aufrechten, das letztlich auf dem Platz kämpfte, hatte das entschieden was dagegen. Es kämpfte mit Wille, Disziplin und der nötigen Cleverness für einen weiteren Sieg gegen den Meister in der Krauerhalle. Und es gelang - Hut ab!
Weil Wacker Thun gleichzeitig verlor im Kantonsderby gegen den BSV Bern, hat es der HC Kriens-Luzern nun am Samstag in der Mooshalle Gümligen selber in der Hand. Aktuell liegt das Team auf Rang 3, Gegner wäre dann Pfadi Winterthur. Verlieren die Zentralschweizer gegen die unbeschwert aufspielenden Berner, kommt es darauf an, ob Wacker Thun im Aarauer Schachen gegen Suhr Aarau zu Punkten kommt.
Letztlich aber ist das Nebensache. Der HC Kriens-Luzern tankte für die Playoffs Selbstvertrauen. Als Team, aber auch jeder einzelne Spieler. Da muss einem vor der Playoff-Serie nicht bange sein. Die wird hart - egal wer als Gegner auf dem Platz steht. Aber fürchten muss sich der HC Kriens-Luzern in der aktuellen Playoff-Fassung eigentlich vor keinem Gegner. Zu einer «Magic hour» reichen Wille, Tüchtigkeit und Leidenschaft. Zu einem Sieg in der Serie braucht es noch ein bisschen Fortune. Aber das Glück lacht ja bekanntlich dem Tüchtigen ...
HC Kriens-Luzern - Kadetten Schaffhausen 29:25 (16:11)
Krauerhalle Kriens, 750 Zuschauer. SR Brunner/Salah
Spielverlauf: 0:2, 3:3, 4:7, 6:9, 10:9, 13:11, 16:11; 18:16, 20:17, 21:18, 22:20, 24:21, 25:24, 27:25, 29:25.
Strafen: Kriens-Luzern 5x2 Minuten (rote Karte Stankovic nach 59.10), Schaffhausen 5x2 Minuten plus rote Karte Graubner (51.)
HC Kriens-Luzern: Bar (1)/Wenger; Fellmann, Wipf (3), Blättler (6), Alili (6), Delchiappo, Baviera, Brücker, Stankovic (2), Radovanovic (7), Schramm (4).
Kadetten Schaffhausen: Marinovic/Kindle (1)/Bringolf; Meister (4), Delhees (1), Liniger (2), Küttel (6/2), Richwien (2), Graubner (1), Pendic, Brännberger (2), Csaszar (3), Markovic (3), Maros, Koch, Muggli.
Bemerkungen: Kriens-Luzern ohne Hofstetter, Nyffenegger, Portmann, Ramseier, Vögtli, Mühlebach und Spengler. Setzt Baviera und Brücker nicht ein. Penalties: 20. Bar hält Penalty von Pendic (9:9), 24. Radovanovic scheitert an Marinovic (10:11), 59. Czsaszar schiesst Penalty an den Pfosten (27:25)
J.P. Chenet Best Player Award: Albin Alili